Captain,
nicht Capitano
"Even
though Steven Gerrard became the inspirational and highly respected captain,
the whole dressing room revolved around Carra."
(Dietmar Hamann: The Didi Man: My Love Affair with Liverpool)
Man kennt ihn ja nicht. Man sieht ihn gelegentlich spielen, mal gut, mal
weniger gut, ab und zu herausragend, und hofft, dass er noch lange spielen
möge. Er verkörpert den Typ Captain, der auf dem Platz wirkt, nicht in der
Kabine, den, der wahrscheinlich gar nicht Captain werden, geschweige denn sein
wollte, sondern lieber Spin Doctor, Einflüsterer, Strippenzieher. Die Stimme
leicht brüchig, der Blick etwas unstet – im Fernsehstudio. In der Kabine und
auf dem Platz mag das ganz anders sein. Auf offener Straße würde man seine
Profession kaum erahnen, so normal und so wenig breitbeinig kommt er daher:
„Sie sind Fußballprofi? Dann bin ich Papst.“
Spielern wie ihm oder dem von Dietmar Hamann hoch geschätzten Jamie
Carragher gönnt man jeden Titel doppelt und dreifach, wurde und wird er doch
mit dem Verein errungen, dem von Kindesbeinchen an alle Sympathien galten (von
"Liebe" zu sprechen verbietet das Sujet), und vermutlich war bereits
der Schnuller rot, der dem weinenden Stevie in den ersten Lebensmonaten in den
Mund gesteckt wurde.* Ein Ibrahimovic mag jedes Jahr Meister werden, ein
Gerrard nie, und doch ist letzterer bereits jetzt "a living legend", ersterer
"a pain in the arse".
Doch darum geht es aktuell bekanntlich nicht: Die leidige Frage, ob und wie
Gerrard zusammen mit Lampard funktionieren kann, wird bei diesem Turnier
sowieso nicht und bald von der Geschichte beantwortet. Bis dahin bleibt zu
hoffen, und zwar vergebens, wie immer, dass Gerrard auch in der
Nationalmannschaft das Feuer entfacht bekommt, das er beim Liverpool FC schon
so oft entfacht bekam.
Gerald Wenge
(Der Tödliche Pass)
* Hört sich gut an, ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit
falsch: Vom Merchandising in heutiger Form waren die Vereine damals noch
weit entfernt.
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