Ein blog-Gastbeitrag unseres Kölner Korrespondenten Bruno
Laberthier
In
den aufgeregten Wochen rund ums Kölner Saisonfinale 2011/2012
überbieten sich die Sportjournalisten in den Redaktionsstuben nah
und (vor allem) fern mit Phrasen, Sottisen und Wortspielen. „Ein
Spinner führt den 1.FC Köln“, legt Stephan von Nocks am Abend
nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung in einem
Online-Kommentar los.1
Immerhin, der in den Augen vieler Fans kritisch betrachtete
Kicker-Reporter
mit dem Zuständigkeitsbereich Geißbockheim äußert sich verhalten
positiv über die Wahl Werner Spinners und seiner beiden Vizes,
darunter Harald „Toni“ Schumacher, mit der nicht nur die
fünfmonatige und wenig glücklich verlaufene vorstandslose Zeit ein
Ende nimmt, sondern auch ein autokratischer Führungsstil wie der
unter Wolfgang Overath und Freunden durch flachere Hierarchien
ersetzt werden soll.
Auch
der dem FC in Sympathie zugetane Phillip Selldorf macht am Tag nach
der Wahl mit einem Späßchen auf. In der Süddeutschen
heißt es unter dem Titel „Ende einer Bananenrepublik“ eingangs:
„Natürlich ist es ein herrlicher Witz, dass sich am Montagabend
mehr Mitglieder des 1. FC Köln als je zuvor zur Vollversammlung
trafen, um eine stadtbekannte Karnevalsgröße an die Spitze ihres
Vereins zu wählen“.2
Gemeint ist der zweite Vize neben „Tünn“, Markus Ritterbach, der
bis dato das Festkomitee Kölner Karneval geleitet hat und in seinem
neuen Amt für die so wichtigen „Kontakte in die lokale Wortschaft“
zuständig sein soll. Immerhin, auch Selldorf spricht am Ende von
einem „guten Anfang“, den der Verein nach dem postoverathschen
Chaos mit der Wahl von Spinner & Co. (und der Nichtwahl eines
Schattenvorstands um FC-Legende Kalli Thielen) gemacht habe.
Na
denn. Wenn nun also „die Treppe von oben gefegt werden soll“, wie
Spinner nach seiner Wahl verlautbarte und dabei den Wirkungsbereich
des Vereinsbosses und seiner beiden Adjutanten gleich als erstes mit
meinte – dann immer ran. Mehr als nur „Einiges“ liegt
schließlich im Argen, und vor allem beim Personal mit Führungs-
oder Direktorenverantwortung klaffen Lücken.
Als
letzter Mohikaner schleppt sich seit Wochen Geschäftsführer Claus
Horstmann über die Ziellinie einer Saison, bei der man bis kurz vor
Schluss der 34 Pflichtspiele noch nicht weiß, ob zwei
Sonderschichten geschoben werden müssen, man direkt runtergeht in
die 2. Liga oder doch noch den weit unterhalb des vor der Spielzeit
definierten Zielkorridors liegenden Platz 15 erreicht. Horstmann mag
man Ahnung von den wirtschaftlicheren unter den Belangen einer
Bundesliga-Vereinsführung unterstellen – im sportlichen Bereich
verfügt er, und das sagt er selbst erfreulich offen, über keinerlei
Expertise. Entsprechend alleingelassen von den Overaths und scheinbar
vorgeschoben vom Interimsboss, dem Verwaltungsrats-Vorsitzenden
Werner Wolf, oblag ihm die Entscheidung und Verkündigung der
Rauswürfe von, nacheinander, Sportdirektor Volker Finke (Begründung:
Solbakken kann nicht mit dem und vice versa, einer musste also gehen)
und Trainer Ståle Solbakken (Begründung: Solbakken kann auch nicht
mehr, noch einer musste also gehen, um den Klassenerhalt doch noch
irgendwie hinzubekommen).
Eine
Zeit lang saß man beim FC somit im falschen Film. Gegeben wurde
„Horstmann allein zu Haus“, dem zeitweise der komplette Club um
die Ohren flog. Und als hätten sie’s böse und gemein ausnutzen
wollen, leisten sich zu guter letzte auch die Profikicker ihre
postkarnevalistischen Eskapaden. Slawomir Peszko bläst sich in der
Osternacht, statt sich gut polnisch-katholisch am Lichtermeer in der
Ostermette zu erfreuen, selbst das Licht aus und prügelt außerdem
hackebreit auf das Taxameter eines Kölner Taxis ein, das ihn und
einen Nationalelf-Kollegen offenbar nicht zum ÖPNV-Tarif in die
nächste Kneipe kutschieren wollte. Und das Stunden nach dem 1:1
daheim gegen Bremen und – viel schlimmer – zwei Tage vor dem
nächsten Abstiegskampf-Spiel in der einzigen englischen Woche weit
und breit, die der FC in dieser Rückrunde bestreiten musste. Lukas
Podolski meckert nicht nur auf dem Platz viel zu viel und viel zu
oft, sondern fängt sich einen Rüffel ein, weil er sich im
Präsidentschaftswahlkampf für besagtes Schattenkabinett unter
Thielen ausspricht, in dem sein Mäzen und Gönner Franz-Josef Wernze
den Mann für die Finanzen und die „Kontakte in die lokale
Wirtschaft“ abgeben soll. Schließlich folgt einem wehr- und
willenlosen Auftritt der Mannschaft in Mainz eine weitere Schlappe in
Ostholland. Auch der Rausschmiss von Solbakken und die
Indienststellung von Frank Schaefer schien nichts zu bringen.
Okay,
Frank Schaefer. Was für eine Rolle spielt der eigentlich? Bei den
Fans ist er beliebter als sämtliche sonstigen Funktions- und
Verantwortungsträger des Vereins zusammengenommen – aber bringt
(ihm) das was? Immerhin, der Auftritt nach dem Desaster in
Mönchengladbach gegen den wahrlich keinen Kindergartenfußball
zelebrierenden VfB Stuttgart war mehr als ansehnlich: Plötzlich
stand da wieder eine Truppe mit Zusammenhalt, Kampfgeist und unter
norwegischer Ägide kaum mehr gekannter Laufbereitschaft auf dem
Platz. Holt Schaefer tatsächlich mit einem Jahr Verzögerung nochmal
das nach, was ihm in der Spielzeit 2010/2011 versagt geblieben war,
weil er selbst den Rückzieher gemacht und eine gefährlich der
Zweitklassigkeit entgegen dümpelnde Truppe für die letzte drei
Saisonspiele seinem Widersacher Volker Finke übergeben hatte?
Schafft er es, den Abstieg zu verhindern?
Gleich,
ob ja oder nein: Als dauerhafter Coach einer Profimannschaft sieht
sich Schaefer offenbar nicht. Stattdessen schlünzt er lieber rum.
Und
das ist vielleicht das Beste, was er tun kann: für sich und seinen
Verein.
Denn
„schlünzen“ ist kein Tippfehler und sollte vielmehr schlunzen
heißen. Nein, „schlünzen“ ist noch so ein Wortspiel. Von Nocks
und Selldorf stecken auch Ihren Laberthier an.
„Schlünzen“
kommt von Schlünz, Juri Schlünz.
Juri
Schlünz: zuerst Spielerlegende, dann Co-Trainer von Hansa Rostock,
dem es dreimal vergönnt war, als treueste Seele des Ostseeclubs
überhaupt das Ruder zu übernehmen, wenn die Not am größten war:
nach Zachhuber, nach Funkel, nach Veh. Zweimal ging es gut und
Abstiege wurden vermieden. Beim dritten Mal, als Juri Schlünz sich
dann reif für die Aufgabe (und innerlich, die Annahme) des
Cheftrainerpostens fühlte, ging es daneben: nach einer 0:6-Klatsche
daheim gegen den Hamburger SV schmiss er hin.
Frank
Schaefer ist in Vielem schon jetzt der kölsche Juri. Einer mit
maximaler Identifikation mit dem FC. Einer, der genau deswegen bei
den Anhängern ein gewaltiges Standing hat. Einer, den auch die
Verantwortlichen beim 1. FC Köln dauerhaft und in
verantwortungsvoller Position binden möchten. Dazu einer, der sich
bislang immer wieder zurückgenommen und die Chefcoach-Jacke an den
Nagel gehängt hat, wenn eine Mission erfolgt war.
Wenn
Frank Schaefer jetzt noch aus dem einen Fehler lernt, den der
hanseatische Juri begangen hat, und er den Verlockungen des
Cheftrainerpostens weiter widersteht (was viele in Köln nicht
verstehen würden), dann wäre für zukünftige Missionen viel
gewonnen. Denn solche Missionen werden in den kommenden Jahren
vermutlich nochmal nötig, fürchtet Ihr Laberthier. Hoffentlich
seltener als bislang - doch wahrscheinlicher als die Europa
League-Qualifikation
oder der Einzug ins DFB-Pokalfinale sind solche Sondereinsätze
allemal.
Also,
werter Frank Schaefer: Mach‘ et nit.
Lieber
weiter rumschlünzen.
1
http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/567951/artikel_spinner---eine-chance-fuer-den-1-fc-koeln.html