29. Juni 2013

Shopping statt Bildung

Nein, das eine soll das andere nicht ersetzen, so weit ist es noch nicht gekommen. Aber dass es eindeutige Prioritäten gibt auf unseren westlichen Kapital-Märkten, machen nicht nur die USA mit ihrem mehr und mehr herunterkommenden Bildungssystem deutlich, sondern auch Brasilien.

Es mag einem unbedeutend vorkommen, dass jetzt eine Volksschule, die direkt ans Maracana-Stadion grenzt, abgerissen werden soll - schließlich werde sie anderswo einen Neubau erhalten, so die Politiker in Rio. Aber: dass das Ganze unnötig ist, vielmehr dem Profit weniger dient, wird klar, wenn man hört, was anstelle des Schulgebäudes errichtet werden soll: Parkplätze (sicherlich nicht kostenfrei benutzbar) und ein Shopping-Center.

Es mag einem auch überzogen vorkommen, daraus ein Muster abzuleiten: dergestalt, dass ein weiterer Sieg für den Konsumismus zu konstatieren ist, ein Sieg für das Haben über das Sein. Aber dieser Kampf begann vor Jahrzehnten, als aus der kapitalistischen Weisheit "Nachfrage erzeugt Angebot" das konsumkapitalistische Credo wurde "Angebote erzeugen Nachfragen". And the battle rages on.

Man könnte angesichts der auch auf dieser Gesellschaftsebene aufscheinenden Reich-vs.-Arm-Kluft eine alte Song-und-George-Bush-Zeile variieren: When the going gets tough, the rich go shopping. Der FIFA ist dies nur allzu recht: je mehr Shopping, desto mehr Moneten. Und um Bildung ist es ihr ja noch nie gegangen.

28. Juni 2013

Heft 69 mit viel Holz vor der Hütt'n

In eigener Sache: ist doch gerade die neue Ausgabe von DER TÖDLICHE PASS frisch gedruckt ausgeliefert worden. So sieht das Titelbild aus:


Wir lassen darin u.a. die Champions-League Revue passieren, unterbreiten jede Menge Sommer-Lesevorschläge, mit denen es garantiert gelingt, SIE, die fußballlose Zeit zu überbrücken, und reisen mit unserem Cheflayouter nach Mexiko. In der allseits beliebten Rubrik "Tagebuch" fasst Claus Melchior noch einmal alle wichtigen Ereignisse der letzten Spieltage, Spielwochen und Spielmonate pointiert zusammen.

Weitere Infos unter www.dertoedlichepass.de

26. Juni 2013

"Jeder Park ist jetzt Gezi"

Mit diesem, ja: Schlachtruf wird ein junger Mann zitiert, der sich an einer Diskussion beteiligt hatte, vorgestern nach, im Gezi-Park, in Istanbul (taz v. 26.6.13). Um die 3000 Menschen waren gekommen, um darüber zu reden, sich auszutauschen, sich zu verständigen, wie es weitergeht - mit dem Protest, mit der Bewegung, mit dem Land. Geleitet, und das ist bemerkenswert, wurde das Meeting von CARSI, den Ultras von Besiktas.

Ultras waren von Beginn an beim Aufbegehren gegen den Parkabriss dabei, haben von Beginn an sich regelrecht(!) gekümmert um die Menschen, die in den Konfrontationen mit der Polizei unter die Räder zu kommen drohten. Ultras sind mittlerweile von der Polizei auch verhaftet worden, aber nicht im Zusammenhang mit Fußball.

Denkbar, dass unsere Ultras in Deutschland aus dem grillgut- und bierbeladenen Bauch heraus jene in Istanbul solidarisch unterstützten? Denkbar, dass unsere Ultras hier die Gelegenheit nutzten und selbst politisch aktiv würden? Denkbar? Ich meine: undenkbar.

Ja, ich rede einer Politisierung des Fußballs und des Fantums das Wort. Denn der Fußball als Wirtschaftszweig ist längst politisch. Zeit, ihn wegzubringen von seiner profitabel inszenierten Brot-und-Spiele-Funktion.

25. Juni 2013

Die FIFA ist ein Eierkuchen

"Der FIFA Konföderationen-Pokal 2013 präsentiert sich bislang als rauschendes Fussballfest. Verantwortlich dafür sind allerdings nicht nur die Akteure auf dem Rasen, sondern vor allem auch die Fans, die aus allen Teilen der Welt nach Brasilien gereist sind, um ihre Mannschaft beim Festival der Meister lautstark zum Erfolg zu treiben.
Farbenfroh, enthusiastisch und kreativ sorgen die Anhänger für eine großartige Atmosphäre in den Stadien und tragen damit maßgeblich zu einem denkwürdigen Turnier bei." (zitiert nach www.fifa.com vom 24.6.2013)

Ja, der Confed Cup 2013 präsentiert sich bislang als politisches Fußballfest. Verantwortlich dafür sind zwar auch ein wenig die Akteure auf dem Rasen, zumindest die brasilianischen, sondern vor allem auch die Fans, die in allen Teilen Brasiliens beim Festival der Meister lautstark ihre längst überfälligen Forderungen kundtun. Lichterloh, enthusiastisch und kreativ sorgen die Anhänger für Reformen für eine großartige Atmosphäre vor den Stadien und tragen damit maßgeblich zu einem denkwürdigen Turnier bei.

Und die Veranstalter? Freuen sich über noch mehr Geld im Geldspeicher und singen das Lied von Friede und Freude. Aber auch Eierkuchen fangen irgendwann an zu stinken.

24. Juni 2013

Fußballfans in Deutschland demonstrieren für mehr soziale Gerechtigkeit

- na gut, auf DIE Schlagzeile werden wir noch eine Weile warten müssen. Aber sie dürfte kommen, denn die Zeiten, in denen für die Dauerkarte das letzte Geld zusammengekratzt und dann von August bis Mai sich nur auf DEN Verein konzentriert, sprich politisch das Maul gehalten wird, diese Zeiten werden bald vorbei sein. Vor allem, wenn es für viele kein letztes Geld mehr gibt.

Auf dass dann endlich auch der Fußball als das begriffen wird, was er geworden ist: nicht die schönste Nebensache der Welt, sondern für viele die verbissenste Hauptsache des Lebens, die ihnen innere Befriedigung verspricht, in erster Linie aber das Geld aus der Tasche zieht. Vor allem aber ist der Profifußball ein wesentliches Segment unseres Wirtschaftssystems geworden, eine Sparte, die es wenigen ermöglicht, sich in wenigen Jahren ein sorgenfreies Leben zu sichern oder nebenher mit ein paar Millionen mal so eben an der Börse zu zocken.

Warum regt sich kein Fan darüber auf? Ist die Verheißung, mit DEM Verein irgendeinen blechernen Pokal zu gewinnen, so groß, dass alles andere zurückstehen muss? Wäre nicht aber auch das fanatische Denken mit einem politischen Denken verbindbar?

Wilhelm: "Wenn nur beide, das Poetische und das Politische, eins sein könnten."
Der Alte: "Das wäre das Ende der Sehnsucht und das Ende der Welt."
Peter Handke, Falsche Bewegung (1975)

23. Juni 2013

"Wir haben nichts verbrochen"

Jerome Valcke ist nun der Blatter für Brasilien, nachdem The Big Boss abgereist ist. Valcke liegt natürlich völlig bauchplatt auf Linie seines Chefs; wie sollte es auch anders sein in einer straff organisierten Familie wie der FIFA. Nachdem schon Blatter jegliche Verantwortung re Demonstrationen weit von sich gewiesen hat, so weit wie bis in die sicher gebauten Schweizer Alpen, haut sein Adlatus knietiefergebenst in dieselbe Kerbe.

Im sid wird er heute mit den Worten zitiert: "Es ist kein Problem der FIFA. Wir sind das falsche Angriffsziel. Wir sind unverschuldet in dieses Durcheinander geraten und haben nichts verbrochen." Man beachte die Wortwahl: "unverschuldet" und "verbrochen" - da sieht sich jemand vor ein Schwurgericht gestellt, was unter moralischen Aspekten gar nicht so weit hergeholt ist.

Nein, die FIFA hat mit der Wut der Bürger über die schamlosen Bereicherungsdiktate der FIFA überhaupt nichts zu tun. Die Proteste, die sich am Confed Cup-Event der FIFA entzündet haben, seien - so Valcke laut sid - einzig und ausschließlich Sache des Staates und dessen Staatsgewalt. Und der Stellvertreter droht sogar: "[...] das geht nicht bis nächstes Jahr so weiter. Brasilien muss dieses Problem lösen!". Und was, wenn Brasilien das Problem nicht lösen will oder kann?

Dann bleibt zu hoffen, dass kein einziges Land, nicht mal Deutschland mit dem DFB, einspringen wird. Dass eine WM aus politischen Gründen ausfällt, wäre ja nicht neu. Neu wäre es, wenn dies dem Unwillen des Volkes zuzuschreiben wäre. Vielleicht tut sich ja dann mal was in der Famiglia.