Johannes Johns EM-Mosaik
11. Juni 2021
Türkei – Italien 0:3 (0:0)
Beim türkischen Torwart Uğurcan Çakır, so der über 90 Minuten überenthusiasmierte Florian Naß, stünden inzwischen schon europäische Clubs an. Falls es um dessen Verpflichtung gehen sollte: von seinem Bock zum dritten Gegentor abgesehen fiel er vor allem durch eine Reihe von meiner Zählung nach fünf Abschlägen en suite auf, die nicht nur ins Nowhere der italienischen Hälfte, sondern dort mit Karacho geradewegs ins Aus segelten. Auch eine Leistung…
Zum After-Geschehen kann ich nichts sagen: ich habe beschlossen, beim ersten Wellmer’schen „büschen“ (mit sch wie in Schischyphusch) abzuschalten. Also relativ gleich nach deren Erscheinen auf der matten Scheibe.
12. Juni 2021
Wales – Schweiz : (0:0)
Gareth Bale schaut mittlerweile aus, als trüge er ein dunkles Badeentchen im Haupthaar. Also albern wie immer.
Es sidekickte Markus Babbel. – Merke: Wer im Juni 21 en vogue sein will, auch auf und in Magenta, muss von „Umschaltverhalten“ und „box-to-box-Spielern“ schwadronieren. Außerdem müsse man die Gegner „ein Stück weit müde spielen“ (Minute 37).
In der Halbzeit eine kurze Sequenz einiger aus vollem Herzen und mit Inbrunst grölender Waliser Fans in der Kurve. Was „Amelie“ (ich musste recherchieren: Stiefvatter) mit den Worten kommentierte, das uns genau das gefehlt hätte. „I’m not convinced“ (Joschka F.) – schon beim Eröffnungsspiel empfand ich die Kulisse wenn nicht als störend, so doch als recht überflüssig.
Dänemark – Finnland 0:1 (0:0)
In der 43. Minute ändern sich Sprach- und Tonlage und was dann – selbstverständlich nach der Sorge um Leib und Leben des kollabierten Christian Eriksen – vor allem interessierte: wie inszeniert man Sprachlosigkeit? Vielleicht doch nicht durch erneute Nachfragen an Christoph Kramer und Per Merstesacker, nachdem beide zuvor nochmals Kund getan hatten, dass ihnen die Worte fehlten. Bei allem Verständnis für die momentane Überforderung angesichts dieses unvorhergesehen Einbruchs des wirklichen Lebens: musste es wirklich sein, dass das ZDF nach der eingeschobenen Heute-Sendung beim Rückpass ins Sport-Studio die journalistische Berichterstattung mit den üblichen Jingles jubelnder Fans und den obligaten Trinkempfehlungen einleitete? Eine Frage des Fingerspitzengefühls. Und der Pietät.
Belgien – Russland 3:0 (2:0)
Zumal in Vorrundenspielen gibt es zumeist nur zwei Möglichkeiten: der Underdog geht in Führung: dann wird’s in der Regel nochmal spannend. Oder aber der Favorit: dann wird es meist langweilig. Quod erat demonstrandum, um 18 wie um 21 Uhr. Und weil es in Kopenhagen dann doch noch weiterging und viele der Akteure anderes durch den Kopf gegangen sein mochte: nicht nur durch seinen vergeigten Elfer bestätigte Pierre Emile Højbjerg, dass er wohl doch nicht das Jahrtausendtalent (another one…) war, als das er 2012 beim FC Bayern angekündigt wurde. – Das Abendspiel? Ein Langweiler, langte gelegentlich ein halbes Auge.
13. Juni 2021
England – Kroatien 1:0 (0:0)
Die erste Halbzeit, anfänglich vor allem von den Three Lions präsentiert, kam meiner Vorstellung vom Fußball SPIELEN, recht nahe: erstmals bei diesem Turnier. Ein Ball, der auch einmal eine Zeit lang in den eigenen Reihen zirkulierte. Und nicht nur Highspeed-Boliden im ständigen Versuch, ,Räume eng zu machenʽ, um Bälle zu erobern – und sie sogleich wieder zu verlieren. Die 2. Hälfte? Läuft noch. Wenn’s bei Sterlings Tor bleibt, wird’s ein verdienter Sieg.
Österreich – Nordmazedonien 3:1 (1:1)
Eine Premiere: das erste verpasste Tor, und ausgerechnet der Ausgleich durch die Nordmazedonier, die bekanntlich ein unangenehmer Gegner und nicht zu unterschätzen sind. Eine Premiere auch das ungewohnte, eher gewöhnungsbedürftige Farbspiel der Nachbarn: türkis und schwarz anstelle des traditionellen schwarz-weiß (bzw. dem alternativen Rot).
Zum letztlich guten Ende trug auch Marko Arnautovic bei, bekanntlich ein Ungustl vor dem Herrn und momentan in China tätig. Zugegeben: ich hab ihn nie gemocht, wie denn auch gerade Jubelposen manchen Kicker (Zlatan, CR7) zur Kenntlichkeit verändern. Nach seiner gestrigen Darbietung darf jedoch vermutet werden, dass er getrennt vom Team untergebracht ist, für’s Spiel Freigang erhält und anschließend sofort wieder stationär sediert wird. Immerhin hat Kapitän Alaba handfest vor Augen geführt, wie „Maul halten“ auch aussehen kann…
Niederlande – Ukraine 3:2 (0:0)
Das bisher beste und unterhaltsamste Spiel mit einer bitteren Pointe zum Abschluss. So löblich es stets ist, sich aus bedrängten Situationen „spielerisch zu befreien“ – hätte der ukrainische Keeper Heorhij Buschtschan, der zuvor mehrfach famos reagiert hatte, in der 85. Minute den Ball nicht halbgar zur Seite Richtung Eckfahne geschoben, sondern weit ins und übers Feld gedroschen –das bittere Ende wäre ihm und seiner Mannschaft erspart geblieben. So wird es ihn auch wenig trösten, dass die Zusammenfassungen dieser 90 Minuten diese Vorgeschichte aussparen und sich auf die Flanke in den Strafraum und Denzel Dumfriesʼ diesmal geglückten Kopfball zum 3:2 beschränken.
Ich hab’s auch bis zum Abpfiff geschaut, obwohl ich bei gewissen unausrottbaren Phrasen eigentlich sofort aussteigen wollte. So beim 1:1-eingedeutschten Anglizismus, diesmal aus dem Munde von Gerd Gottlob in der 79. Minute: „Bischen ist noch zu gehen.“ Einfach nur affig.