4. August 2010
Abgebloggt
Da berichtet nämlich das Netzmagazin WIRED in seiner Abteilung DANGERROOM über eine neue Beziehung zwischen der Suchmaschine aller Suchmaschinen, Google, und der CIA, nachzulesen unter
Was dort so scheinbar unverfänglich-abstrakt skizziert wird, lässt sich konkret in nichts anderes als Schnüffelei übersetzen - gelinde gesagt. WIRED beschreibt die Allianz der beiden Institutionen so: "In a white paper, the company says its temporal analytics engine “goes beyond search” by “looking at the ‘invisible links’ between documents that talk about the same, or related, entities and events.”
Und weiter: "The idea is to figure out for each incident who was involved, where it happened and when it might go down. Recorded Future then plots that chatter, showing online “momentum” for any given event."
Mit anderen Worten: der Geheimdienst der USA benutzt google dazu, im Web weltweit nach möglichen Verbindungen zwischen Webinhalten zu fahnden, die auf ein wie auch immer geartetes Ereignis Hinweise geben. Natürlich wird es heißen, es gehe nur um Terrorismusbekämpfung; allein, wer glaubt nach der Google-Datenpanne mit angeblich ungewollt gespeicherten W-LAN-Daten dieser Rhetorik noch?
Was das mit Fußball zu tun hat? Erst mal nichts, abgesehen vom Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung. Und der Möglichkeit, demnächst angeklagt zu werden wegen solcher geposteten Sätze wie "Spieler XY muss Limits akzeptieren: 'Ja, bin Ladenhüter!' ist seine verzweifelte Bestandsaufnahme." oder "Ich mach schon intensivstes Lauftraining, doch eiliger krieg' ichs im Moment noch nicht hin."
Zugegeben, etwas gewollt diese beiden Beispiele; von der Hand zu weisen ist diese Tendenz der zunehmenden Netzkontrolle im schlechtesten Orwell'schen Sinne leider jedoch nicht.
Was aber nicht heißen sollte, sich ab sofort zurückzuhalten, ganz im Gegenteil. Man halte sich an die schönste aller Schlagzeilen, welche in der Süddeutschen vor vielen Jahren im Politikteil zu finden war: "FDP-Politiker Baum und Hirsch: Wir nehmen kein Blatt vor den Mund!"
25. Juli 2010
3 - 2 - 1 - neu
Könnte es besser, behutsamer inszeniert sein, das Zurückkehren auf den Teppichboden des Liga-Alltags? Kurz noch die erste Pokalrunde ausgespielt, dann lassen auch zweite und erste Liga wieder ihre Stadion-, pardon: Arena-Tore öffnen. Dann genießen wir wieder unsere prospektiven Plätze an der Sonne, bis erneut Adduktoren an unseren Nerven zerren, Syndesmosebänder bis zum Zerreißen gedehnt und Schultereckgelenke gesprengt werden. Aber - und jetzt wage ich mich mal vor - so wirklich richtig freuen werden wir uns über unsere Schiedsrichter!
30. Juni 2010
Keine WM mehr ohne Atomstrom
Die Zeitschrift bezeichnet sich als "Debattenmagazin" und fällt vor allem dadurch auf, dass sie zu jedem Standpunkt erst einmal einen Gegenstandpunkt bringt. Aus Prinzip. Soll keiner sagen, man habe das Zwar-Aber-Konzept nicht brutalstmöglich verinnerlicht. Darum propagiert das Impressum auch in großen Lettern das Credo der Publizisten: für Fortschritt und Humanismus zu streiten und für eine bessere Zukunft durch mehr Wachstum und Freiheit für alle. Für Freiheit können alle sein, allein beim Begriff Wachstum scheiden sich die Geister.
Erst recht, wenn es um das Wachstum der Atomindustrie geht. Die natürlich – in der Logik des auf Profitmaximierung ausgelegten Kapitalismus – auf Expansion drängt. Gerade jetzt, wo die fossilen Ressourcen in Verruf geraten sind und knapper zu werden drohen. Da ist dann auch jedes Werbemittel recht, und sei es auch nur in Form einer unscheinbaren Postkarte.
Die ist auf der einen Seite fußballrasengrün und stellt die maoam entliehene Frage: "Wollt Ihr Verlängerung?" Die Kehrseite nimmt einem aber auch sogleich die Antwort ab: "Ja!" schreit es einem entgegen, und zwar: "Weil wir auch in der Zukunft bei Weltmeisterschaften vor dem heimischen Fernseher mitfiebern wollen." Das unterstellt ohne zu fragen gleich mehrere Dinge.
Zum einen wird mit der verbalen Umarmungstaktik ("wir") versucht, das derzeitige WM-Nationalgefühl zu funktionalisieren zu einem allgemeinen, zu einem Sind-wir-nicht-alle-auch-nach-der-WM-DEUTSCHE. Das sind WIR laut Reisepassangabe denn auch tatsächlich, aber dass tatsächlich alle 80 Millionen hierzulande Lebende auch wirklich Fußball glotzen WOLLEN, ist denn doch eine grobe Unterstellung. Zum anderen suggeriert die Zeitadverbiale "in der Zukunft" – man beachte das staatstragend-pathetische "der" – eine mögliche Bedrohung aus der Gegenwart heraus; eine Bedrohung, die – so assoziiert man – darin besteht, dass es durchaus sein kann, dass es irgendwann keine TV-Bilder von Weltmeisterschaften mehr gibt. Es sei denn – und jetzt wird’s pathologisch – man begibt sich ins Ausland! Denn das könnte man noch, wenn der "heimische" Fernseher keine Bilder mehr liefert.
Aber warum ins Ausland abwandern? Wieso sollte es bei uns denn kein Fernsehen mehr geben? – Die Erklärung folgt im nächsten Absatz. "Die Kernenergie liefert Tag für Tag zuverlässig Strom in Deutschland – und das seit Jahrzehnten. Jedes der 17 deutschen Kernkraftwerke versorgt rechnerisch im Schnitt jährlich 50 Millionen Fernseher oder 2.5 Millionen Haushalte mit Strom." Da haben wir's wieder – Otto Mohl fühlt sich wohl nicht nur am Pol mit Atomstrom.
Ohne Atom also keine WM! Wobei es die restlichen TV-Geräte der deutschen Fußballnation doch auch geschafft haben, sich mit Nicht-Atomstrom zu versorgen und Bilder widerzugeben... Fürchtet da jemand vielleicht bloß Konkurrenz? Ist es der Neid der Noch-nicht-Monopolisten? Egal, es gilt mit dem Appell an niedere TV-Sehinstinkte und das Wir-sind-doch-auch-noch-wer-Gefühl mehr Druck auf die Öffentlichkeit, auf alle, auf jeden einzelnen von uns en bloc zu erhöhen: "Auf diesen Beitrag zu unserem Strommix können und wollen wir nicht verzichten."
Perfide? Ja, schon auch noch deshalb, weil das anfangs an uns gerichtete WIR am Ende vermengt wird mit dem "wir" der Atomstromerzeuger! Sag ich JA zur Fußball-WM, sag ich JA zu Atomstrom. So haben wir nicht gewettet.
Aber es passt dann auch, dass die grüne (!) Postkarte in besagtem Magazin ausgerechnet (!!) zwischen den Seiten steckt, auf denen ein gewisser Rob Lyons "Tschernobyl vom Mythos befreien" möchte. Denn Tote hin oder her – sooo schlimm war der Unfall in der Ukraine damals gar nicht. Um das Kernkraftwerk herum hat sich im 30-km-breiten Sperrgebiet eine "grüne und ansprechende Landschaft" geformt, ein "gigantisches Naturschutzgebiet" ist's geworden, und die Atomtechnik so sicher, dass es nur eine energetische Heilsbotschaft geben kann: "Wir sollten so bald als möglich neue Kernkraftwerke bauen." Dann fühlt sich nicht nur Otto Mohl wohl, wenn die deutsche Nationalmannschaft um Titel kämpft.