31. Oktober 2015

Vor der Riquelmefrage

"I came to this world with nothing, and leave with nothing but love. Everything else is just borrowed." (Mike Skinner, The Streets)


Schwierig, schwierig, schon die Hinführung zum Thema. Ausgangspunkt der alten, immer neuen Überlegung, wie ein Fußballprofi wohl aufzutreten habe, und zwar auf dem Platz, nicht betrunken im Ferrari, sei ein Satz des ARD-Kommentators Gerd Gottlob anlässlich der Deklassierung des VfL Wolfsburg durch den FC Bayern im DFB-Pokal, sofern der Pokal noch so heißt (mind you, VW hat gerade andere Probleme): "Thiago ... fast ein bisschen herablassend ... in der Anmutung ... sicherlich nicht so beabsichtigt."

Gottlobs Kommentar bezog sich nicht auf Thiagos zum Heulen schönen Heber auf Robben, der in eine überraschende Lücke an der Strafraumgrenze stieß und Thiagos Vorlage nach gelungener Ballannahme volley in den niedersächsischen Nachthimmel drosch, sondern auf einen vergleichbaren Geniestreich kurze Zeit früher oder später links an der Außenlinie, als er Alaba oder Costa in Szene setzte, man war nur noch mit einem Auge dabei.

"Sicherlich nicht so beabsichtigt" - das genau ist die Frage. Herablassung ist eine ausgesprochen unangenehme Charaktereigenschaft, ohne jeden Zweifel, auf dem Platz wie im Ferrari. Man muss gar nicht von „Geliehenem“ sprechen, man kann von einer Gabe sprechen, von einem Geschenk vielleicht, das in mühsamer und langjähriger Arbeit vergoldet wurde, und dann führt man eben im Pokalspiel beim Titelverteidiger mit ca. 8:0 und hat Freude am Fußball, am schönen Spiel, gleichzeitig merkt man, dass die Sache für den Gegner schon lange gelaufen ist – keine Entschuldigung für Herablassung, allenfalls ein Erklärungsversuch, ein schwacher.


Gottlobs erster Eindruck – da geht einer überheblich zu Werke, herablassend – deckt sich mit der Einschätzung des Chronisten, was diesem immer wieder ein wenig die Freude am Spiel Thiagos verdirbt, nicht aber e. g. die am Spiel Gündogans, der eine vergleichbare Genialität besitzt. Beide stehen immer wieder vor der Frage, die man guten Gewissens als Riquelmefrage bezeichnen kann: Ich bin besser als alle anderen, warum soll ich nicht etwas Besonderes versuchen, warum einfach, wenn es auch schwierig geht? Und genau dafür schauen wir uns schließlich die Spiele der Profis an, um mehr zu sehen als mittwochs beim eigenen Training, schönere Spielzüge, gewagtere Pässe.

Was nun kann ein Thiago machen, um weniger überheblich zu wirken? Sprachlich ist er – in Deutschland – gehandicapt, was ihn der Möglichkeiten eines Thomas Müller beraubt, der immer wieder im Gespräch (und durchaus glaubhaft) die eigene Genialität relativiert, die Flanke Costas sei halt perfekt gekommen, die Hereingabe Alabas habe man verwerten müssen, anders sei das gar nicht möglich gewesen. Kann Thiago seinen Gesichtsausdruck verändern? Nein, das ist die reine Konzentration, und die sieht bei jedem anders aus. Die Körperhaltung, die Beinstellung? Nein, gegen die eigene Physiognomie kann man sich nicht wehren, sie ist ein Produkt von Genetik, Ernährung, früheren Peer Groups und Training. Das Geschlackere mit dem Fuß, mit dem Bein, das dem dann gelegentlich genialen Pass vorausgeht? Ja, darauf könnte er verzichten, was allerdings nicht klug wäre, da ein Teil seines Spiels eben genau darauf beruht, den Gegner im Unwissen darüber zu lassen, wann genau das Abspiel denn nun kommen werde.

Es ehrt Gottlob, dass er durch die vierfache Abschwächung für den Angeklagten entschied: fast ... (es war nicht so, es wäre aber um ein Haar so gewesen), ein bisschen ... (wenn es denn so war, dann nun wirklich nicht viel), in der Anmutung ... (es mag so ausgesehen haben, war aber wohl anders), sicherlich nicht so beabsichtigt ... (okay, wenn es denn so wirkte, dann aus Versehen).

Schwierig, schwierig. Wir werden Thiago weiter beobachten müssen. Es gibt Schlimmeres.  


24. September 2015

83 in 10 Tagen? Das ist zu schaffen - zusammen mit Ihnen

Przemek Niciejewski heißt der Fotograf, der seit mehr als zwei Jahren den TÖDLICHEN PASS mit seinen Fotos beglückt. Auch international sind seine Bilder bekannt und begehrt. Nun möchte er sich einen langgehegten Traum erfüllen: ein Fotobuch mit seinen besten Aufnahmen. In Farbe. Noch dieses Jahr.

Die großen Verlage haben abgewunken - verkauft sich nicht. Nun probiert er's über Crowdfunding. Und hat schon 60 Prozent der benötigten Summe zusammen.

Allerdings: es bleiben nur noch zehn Tage, dann ist die Kampagne für GOING TO THE MATCH beendet. Was wir sehr bedauern würden. Deshalb an dieser Stelle ein Aufruf quasi in eigener Sache: gehen Sie auf die kickstarter-Plattform, sehen Sie sich Proben seines Könnens an. Und unterstützen Sie. Dreiundachtzig Fotofreundinnen und -freunde bräuchte es noch. Neun am Tag, um auf der sicheren Seite zu sein. Das sollte doch zu schaffen sein, oder?

Stand: 24.09.2015  21:07:15 -- https://www.kickstarter.com/projects/53932134/going-to-the-match-football-culture-photography

22. September 2015

VW frisiert sich die Wagen schön. Die Liga auch?

Erst Millionen Diesel in den USA, nun viele viele Millionen Autos weltweit: manipuliert hat VW die Abgaswerte, um möglichst clean dazustehen und möglichst kräftig Kasse zu machen. Hat jahrelang geklappt.

Aus der prallen Kasse konnte man so auch prall den Profitfußball finanzieren - angefangen beim VfL Wolfsburg (da steckt das V und das W ja schon fertig im Namen) über den FC Bayern bis zum FC Ingolstadt. Bei dem nicht aufgehört: insgesamt 16 Klubs in den beiden höchsten deutschen Ligen hängen mit dem VW-Konzern zusammen. Und der DFB-Pokal wird mitfinanziert. Gewissermaßen das ideale VW-Pokalendspiel gab's ja letzte Saison.

Nun könnte man angesichts der jetzt bekannt gewordenen Manipulationen - die Spitze eines Eisbergs, so ist zu vermuten, auf dem aber auch noch andere Automobilhersteller schwimmen könnten - ein mulmiges Gefühl für die erste und zweite Liga bekommen. Das haben viele Fans bereits, spätestens seit dieser Ein-Sechstel-VW-Vereinsbundesligasaison. Vielleicht kam diese Enthüllung aber gerade rechtzeitig. Damit VW nicht auf die Idee käme, sich die Liga schönzufrisieren.